Geschichten von Betroffenen

Silke

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hEDS, überwiegend mit Instabilitäten und Taubheitsgefühlen, außerdem Akne inversa

Silke, 56 Jahre

Schon in jungen Jahren konnte ich sportlich nicht mithalten – außer bei der Gymnastik und in der Karnevalsgarde, denn ich war wie meine Mutter super gelenkig. Auch Laufen konnte ich noch nie wirklich weit, des Öfteren knickte ich um. Wie bei meiner Mutter waren Bänderdehnungen, Bänderrisse nicht ungewöhnlich, früh Arthrose in den Facettengelenken, Bandscheibenvorfälle und merkwürdige Beschwerden in den Hüften oder Beinen, als hätte ich mir ein Bein ausgerenkt. „Oft kam es zu Spontanheilung“ Irgendwann knackte es im Bein und sämtliche Beschwerden waren weg. Natürlich wurde alles auf die Psyche geschoben, ich wusste das dies so nicht stimmt, sondern nur irgendwann eine Folge von ständigen Schmerzen war, was an den Kräften zehrt.

Mit ca. 51 Jahren hatte ich wieder so eine komische Verdrehung des Beines – nur diesmal viel schlimmer und verbunden mit Taubheit. Nach Schmerzklinik und langer Krankschreibung sagte eine Neurologin, zu der ich geschickt wurde „Da gibt es so eine seltene Erkrankung……“ Beim ersten googeln fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen und die einzelnen Teile des Puzzles ergaben nun ein Bild, denn es passte alles erstmal zu meiner Mutter und auch zu mir.

Durch FB bin ich dann auf eine EDS-Gruppe gestoßen und habe nur mal mitgelesen und wusste, den Weg muss ich weitergehen. Hier hat man mir erklärt, wo ich hingehen könnte um Gewissheit zu bekommen. Tatsächlich nach Humangenetik und Upright-MRT hatte ich dann die Diagnose hEDS und war zum ersten Mal wirklich froh zu wissen, dass ich meinem Gefühl trauen konnte - mit 54 Jahren! Es war also nicht psychosomatisch. Ein Gefühl der Erleichterung und gleichzeitig ein Gefühl des Allein-Gelassen-Seins seitens der Ärzteschaft stellte sich ein und ich wusste nicht wohin mit meiner Wut. Ich bestellte mir gleich Bücher und hatte Zeit alles aufzusaugen was darinstand. Meine Frustration habe ich aber dann abgelegt, denn wie soll ein Arzt mit der knappen Untersuchungszeit darauf kommen? Ich dachte also – okay dann musst Du selbst Dein Experte werden. Inzwischen baue ich mir natürlich ein Netz aus Ärzten und Therapeuten, teils als Selbstzahler, wobei ich oft allerdings erstmal erklären muss was EDS ist. Hmm, aber bin ja kein Arzt.

Die Schmerzen sind noch da und es sind immer wieder neue Versuche, die inzwischen entstandenen Instabilitäten in den Griff zu bekommen, jedoch habe ich nette Menschen mit ähnlichen Einschränkungen kennengelernt, mit denen ich mich austauschen kann – denn nicht immer will man seine Familie belasten. Immer noch stehe ich am Anfang und entdecke Symptome, die dann auch noch mit EDS zu tun haben, z.B. das beim Zahnarzt die Betäubung kaum gewirkt hat, was niemand verstand. Meine Mutter ist wahrscheinlich unbewusst auch Experte geworden, denn zu Ihrer Zeit hatte man einen Hausarzt, vielleicht später einen Orthopäden, mehr nicht - und EDS war noch gar nicht bekannt. Sie trug zeitlebens tatsächlich Mieder oder Bodys, sowie Stützstrümpfe, hat sich mit Homöopathie beschäftigt, um das Bindegewebe zu stärken. Das fällt mir alles Stück für Stück wieder ein. Inzwischen mit halber Rente kann ich wenigstens 3 Stunden im Büro bei meinem alten Arbeitgeber weiterarbeiten. Hier mache ich in der Regel einmal in der Woche Rehasport und Physiotherapie. Hier holt man mich bei der Therapie immer grade dort ab, wo ich stehe und was ich gerade brauche. 

Das schwierigste ist jedoch, dass man uns nicht ansehen kann, wie sehr uns der Alltag anstrengt. Wir sehen in der Regel gesund aus und das implementiert im Außen eine normale Erwartungshaltung, was dazu führt, dass wir alle lernen müssen, für uns einzustehen und Grenzen zu setzen und zu reden. Ihr kennt sicher alle die Spoon-Theory? Mein Partner sagt schon manchmal von sich aus – ich sehe schon „nicht mehr viele Löffel für heute übrig, dann mach langsam…“ und nennt mich liebevoll mein Zebra … und das schönste ist, im Juni heiratet er sein Zebra.

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